Von Marie Hassenpflug stammen eine Reihe von Märchen, die die Brüder Grimm in den von ihnen verfassten Kinder- und Hausmärchen (KHM) wiedergeben: Brüderchen und Schwesterchen (KHM 11), Rotkäppchen (KHM 26), Das Mädchen ohne Hände (KHM 31), Der Räuberbräutigam (KHM 40), Daumerlings Wanderschaft (KHM 45), Dornröschen (KHM 50), Die Wassernixe (KHM 79), Der goldene Schlüssel (KHM 200), Vogel Phönix (KHM 75a), Der Schmied und der Teufel (KHM 81a), Der Froschprinz (KHM 99a), das Textfragment Prinzessin mit der Laus, vielleicht auch Schneewittchen (KHM 53).

 

Inhalt des Märchens:


Ein Königspaar wünscht sich lange ein Kind. Endlich weissagt ein Frosch (bis 2. Auflage: ein Krebs) der Königin die Geburt. Zum Fest holt man auch zwölf Feen, das Mädchen zu segnen, eine dreizehnte übergeht man, für sie ist kein Goldteller mehr da. Die platzt dann herein und verflucht es zum Tod durch Stich einer Spindel im fünfzehnten Jahr. Doch hat eine Fee ihren Segen noch nicht gesprochen und mildert den Tod zu hundertjährigem Schlaf. Der König lässt alle Spindeln verbrennen. Mit fünfzehn Jahren, die Eltern sind aus, findet das Mädchen in einem Schlossturm eine alte Frau beim Spinnen, greift nach der Spindel, sticht sich und fällt schlafend hin. Alle Menschen und alles im Schloss schläft auch, dichte Dornen wachsen ringsum. Man hört von der Prinzessin als dem Dornröschen, doch Prinzen, die es suchen, sterben jämmerlich in den Dornen. Wie hundert Jahre um sind, hört wieder ein Prinz davon, die Dornen sind Blumen und lassen ihn ein. Dornröschen erwacht von seinem Kuss, alles erwacht und feiert die Hochzeit.

 

 

Märchen tiefenpsychologisch gedeutet

von Eugen Drewermann

Dornröschen - zur Liebe erweckt In den Märchen spiegeln sich tiefe menschliche Erfahrungen und Sehnsüchte. Es geht immer wieder um das überleben des Bedrohten, den Aufstieg des Verachteten, um die Balance von Männlichem und Weiblichem, um Festhalten und Loslassen dürfen. Das Märchen Dornröschen handelt nach Drewermanns tiefenpsychologischer Deutung von einer jungen Frau, die nicht erwachsen werden kann, weil es ihr nicht möglich ist, sich aus der schicksalhaften, angst- und schulderfüllten Bindung zu ihrem Vater zu läsen. Der hundertjährige Schlaf steht symbolisch für das Unvermögen eines "Dornröschen", im Leben und in der Liebe vorankommen zu können. Der Kuß des Prinzen bedeutet nichts anderes, als der verzaubert-verzaubernden Geliebten die natürliche Unschuld zurückzuschenken und sie zur Liebe zu erwecken. Die tiefenpsychologische Deutung Eugen Drewermanns ist eine aspektreiche Darstellung über das Gelingen und Scheitern menschlicher (Liebes)Beziehungen. Eugen Drewermanns tiefenpsychologische Märcheninterpretationen gehören zu seinen beliebtesten Werken.