Die Unterscheidung zwischen Daoismus als Religion und Daoismus als Philosophie, die lange ausgehend von der Sinologie verwendet wurde, ist begrifflich unscharf.


Das Wort „Daoismus“ ist abgeleitet vom Dao (Tao), einem Begriff der chinesischen Philosophie, der bereits vor dem Daodejing verwendet wurde, aber erst in diesem Text seine zentrale Stellung und besondere, universale Bedeutung erhielt. Dao bedeutete ursprünglich „Weg“, im klassischen Chinesisch aber bereits „Methode“, „Prinzip“, „der rechte Weg“. Bei Laozi nimmt dann der Begriff des Dao die Bedeutung eines der ganzen Welt zugrunde liegenden, alldurchdringenden Prinzips an. Es ist die höchste Wirklichkeit und das höchste Mysterium, die uranfängliche Einheit, das kosmische Gesetz und Absolute. Aus dem Dao entstehen die „zehntausend Dinge“, also der Kosmos, und auch die Ordnung der Dinge entsteht aus ihm, ähnlich einem Naturgesetz, doch ist dem Dao selbst kein omnipotentes Wesen zuzuschreiben, sondern es ist Ursprung und Vereinigung der Gegensätze, womit es letztlich undefinierbar ist.

Philosophisch könnte man das Dao als jenseits aller Begrifflichkeit fassen, weil es der Grund des Seins, die transzendente Ursache ist und somit alles, auch den Gegensatz von Sein und Nicht-Sein, enthält. In diesem Sinne kann nichts über das Dao ausgesagt werden, weil jede Definition eine Begrenzung enthält. Das Dao ist aber sowohl unbegrenzte Transzendenz, als auch das dem Kosmos, dem All immanente Prinzip.

„Das Tao, das sich mit Worten beschreiben lässt, ist nicht das wahre Tao.“

– Laozi: Daodejing

Durch das Wirken des Dao wird die Schöpfung durch Zweiheit, Yin und Yang, Licht und Schatten, hervorgebracht, aus deren Wandlungen, Bewegungen und Wechselspielen dann die Welt hervorgeht.


Die ethische Lehre des Daoismus besagt, die Menschen sollten sich am Dao orientieren, indem sie den Lauf der Welt beobachten, in welchem sich das Dao äußert. Dadurch können sie die Gesetzmäßigkeiten und Erscheinungsformen dieses Weltprinzips kennenlernen. Da das Dao sich im Ziran, dem „Von-selbst-so-Seienden“, der Natur, offenbart, steht es für Natürlichkeit, Spontaneität und Wandlungsfähigkeit. Der Weise erreicht dabei die Harmonie mit dem Dao weniger durch Verstand, Willenskraft und bewusstes Handeln, sondern vielmehr auf mystisch-intuitive Weise, indem er sich dem Lauf der Dinge anpasst. Der Daoismus besagt, dass es im Kosmos nichts gibt, was fest ist: Alles ist dem Wandel (chin. , yì) unterworfen und der Weise verwirklicht das Dao durch Anpassung an das Wandeln, Werden und Wachsen, welches die phänomenale Welt ausmacht.





Tao Te King, Abschnitt 67

Alle Welt sagt, mein Sinn sei zwar groß, aber sozusagen unbrauchbar. Gerade weil er groß ist, deshalb ist er sozusagen unbrauchbar. Wenn er brauchbar wäre, so wäre er längst klein geworden. Ich habe drei Schätze, die ich schätze und wahre. Der eine heißt: die Liebe; der zweite heißt: die Genügsamkeit; der dritte heißt: nicht wagen, in der Welt voranzustehen. Durch Liebe kann man mutig sein, durch Genügsamkeit kann man weitherzig sein. Wenn man nicht wagt, in der Welt voranzustehen, kann man das Haupt der fertigen Menschen sein. Wenn man nun ohne Liebe mutig sein will, wenn man ohne Genügsamkeit weitherzig sein will, wenn man ohne zurückzustehen vorankommen will: das ist der Tod. Wenn man Liebe hat im Kampf, so siegt man. Wenn man sie hat bei der Verteidigung, so ist man unüberwindlich. Wen der Himmel retten will, den schützt er durch die Liebe. 

übersetzung von Richard Wilhelm


Zufrieden sein heißt, reich zu sein. Mit Nachdruck etwas durchführen bedeutet Wille. Seinen Platz nicht zu verlieren, heißt Bestand zu haben. Sterben und doch weiterleben, bedeutet Unsterblichkeit.


"Reich ist, wer weiß dass er genug hat."


Laotse